Bundespolizisten wie Teilnehmer einer NPD-Veranstaltung

Dieser Artikel soll verdeutlichen, mit was für Menschen sich Fußballfans Woche für Woche rumärgern müssen. Zum Beispiel mit  Bundespolizisten, die rechtsextreme Musik hören und verbreiten, ihre Schlagstöcke - so wie es auch Nazis tun - mit den Namen nordischer Gottheiten versehen, das 1000jährige Reich beschwören und in Schulungseinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland Verhaltensweisen an den Tag legen, "wie sie sonst nur in der rechtsextremen Szene zu beobachten sind", wie ein leitender Beamter aus Essen berichtet, der seine Beobachtungen bei Gericht schilderte. Ein Kollege fügte hinzu, in Aussehen und Auftreten wirkten die Kollegen "wie Teilnehmer von NPD-Veranstaltungen". Die Vorgänge wurden erst durch die Essener Beamten publik, die bei einem Lehrgang in der gleichen Unterkunft untergebracht waren. Ein Schwerpunkt dieser Einheit der Bundespolizei, ist der Einsatz im Rahmen von Fußballspielen.

Dieser Artikel stammt aus der Berliner Morgenpost vom 26.10.2006 


Zwischen Nazi-Kult und "Radio Wolfsschanze"

Richter empört: Zug von Berliner Bundespolizisten trat "wie Teilnehmer von NPD-Veranstaltungen" auf

Von Michael Mielke

Schon der Prozessanlass war brisant: Ein Bundespolizist, der eine CD mit rechtsextremer Musik verbreitet haben soll, hatte sich an das Berliner Verwaltungsgericht gewandt, um gegen seine fristlose Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu klagen. Während der mündlichen Verhandlung kam gestern jedoch zur Sprache, dass seinerzeit offenbar der größte Teil des 20-köpfigen Zuges einer Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheit mit rechtsextremem Gedankengut infiziert war. Bei den Betroffenen handelt es sich um Polizeibeamte, die in Schöneweide stationiert sind und bei Demonstrationen, in Fußballstadien oder bei anderen öffentlichen Veranstaltungen für Ruhe und Ordnung sorgen sollen.

Anlass für das fristlose Entfernen des 26 Jahre alten Björn S. war der Vorwurf seines Dienstherren, der Polizeimeister habe über das Internet Musiksendungen des rechtsextremistischen "Radios Wolfsschanze" aufgenommen und sie an einen interessierten Kollegen weitergegeben. Mit Texten - um nur ein makaberes Beispiel zu nennen - die den Tod des früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden Ignaz Bubis in infamer Weise bejubeln.

Ein zweiter Vorwurf bezog sich auf das sexistische Verhalten des Polizeimeisters gegenüber einer Kollegin seines Zuges. Das ging bis zur Aufforderung an die junge Beamtin, ihn oral zu befriedigen. Schon dieser in der mündlichen Hauptverhandlung bestätigte Vorwurf reichte dem Verwaltungsgericht, die Klage des Polizisten gegen seine Kündigung abzuweisen.

Für Verwunderung und Empörung sorgte bei den Richtern, dass das Verhalten von Björn S. und seinen Kollegen den Berliner Vorgesetzten nicht schon früher aufgefallen war. Ins Rollen waren die Untersuchungen erst Anfang 2004 gekommen. Das geschah nach einem "Teamtraining" des Zuges im Trainingszentrum der Bundespolizei im Nationalpark Berchtesgaden (Bayern). Beamte aus Essen, die im "Haus Kühroint" ebenfalls einen Lehrgang besuchten, hatten sich damals entsetzt über das Aussehen und Auftreten der Berliner Kollegen gezeigt. Sie sähen aus wie Teilnehmer von NPD-Veranstaltungen, hieß es in Vernehmungsprotokollen. Ein leitender Beamter aus Essen beschrieb "Verhaltensweisen, wie sie sonst nur in der rechtesextremen Szene zu beobachten sind".

Vor Gericht kamen weitere Details zu Sprache: Frisuren, wie sie in der rechtsextremen Szene typisch sind. T-Shirts, auf deren Brustseite ein Bundesadler und die Aufschrift "Polizei" und auf der Rückenseite ein zähnefletschender Wolf und Schlagstöcke zu sehen waren. Auf anderen T-Shirts stand: "Unsere Heimat, unsere Liebe, unser Stolz" - nach Meinung der Kammer keineswegs zufällig in der für rechtsextreme Losungen gern verwendeten gotischen Schrift.

Ein beisitzender Richter der 7. Kammer erwähnte "regelrechte Andachten", die von den Berliner Bundespolizisten im "Haus Kühroint" abgehalten worden seien. Nach Aussagen von Zeugen hätten diese abendlichen Treffen unter einer in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts von Nazis in einen Balken eingeritzten, das 1000-jährige Reich beschwörenden Inschrift "1933 - 2933" stattgefunden.

In diesen Kontext, befanden die Richter, passten dann auch die deutlich sichtbaren Beschriftungen auf Schlagstöcken von Beamten des Zuges. Sie hatten sich dafür - es erinnert beklemmend an den heidnischen Kult der Nazis - Namen der nordischen Mythologie ausgesucht. Den Hauptgott Odin hatte sich ausgerechnet der Gruppenführer von Björn S. ausgewählt. Derselbe Beamte saß gestern vor den Verwaltungsrichtern neben einer Justiziarin des Bundespolizeipräsidiums Ost und sollte helfen, die Kündigung des Polizeimeisters sachkundig zu begründen.

Björn S. erklärte vor Gericht, dass er die Musik des Senders "Radio Wolfsschanze" auf dem Computer seines 14 Jahre alten Bruders entdeckt habe. Allerdings habe er die Texte nicht wahrgenommen und sei davon ausgegangen dass es sich "um ganz normalen Deutsch-Rock" handele. Auch den Namen "Radio Wolfsschanze" habe er erst später gehört und die Musik selber nie abgespielt. Er sein kein Rechtsextremer, beteuerte er. Von dem Kollegen, für den er die CD brannte, habe er sich inzwischen distanziert.

Die verbalen Entgleisungen und Beleidigungen gegenüber seiner Polizeikollegin räumte Björn S. ein. Auch in diesem Fall jedoch ohne Schuldbewusstsein. Frauen seien die Ausnahme im Zug und "meist auch immer sehr schnell wieder weg" gewesen sagte er. Die rüde Ausdrucksweise habe bei den Männern "zur Umgangssprache" gehört, sei aber nicht böse gemeint gewesen.

Die junge Polizistin hatte bei früheren Vernehmungen von "Fäkaliensprache" berichtet. Die Kollegen hätten sie "Paul" genannt und auch sonst ganz bewusst sehr ruppig behandelt. Ähnlich sei es anderen Frauen ergangen "Ich habe mich gefühlt wie der letzte Scheuerlappen", hatte sie zu Protokoll gegeben Da sie nur Polizeimeisterin zur Anstellung gewesen sei, also noch in der Probezeit, habe sie es aber nicht gewagt, Anzeige zu erstatten.

Der zuständige Inspektionsleiter der Einheit, Thomas H., erklärte vor Gericht, dass er erst nach den Vorkommnissen zu dieser Einheit versetzt worden sei. Der Zug sei inzwischen aufgelöst. Neben Björn S., sagte der Beamte im Range eines 1. Polizeihauptkommissars, habe ein zweiter Bundespolizist den Dienst fristlos quittieren müssen. Dabei handele es sich um den Polizisten, der die inkriminierte "Radio Wolfsschanze"-CD von Björn S. empfangen habe. Zudem seien mehrere Disziplinarverfahren gegen andere Polizisten des Zuges eingeleitet worden. Zu erwähnen sei sicher auch, dass die junge Polizistin noch immer in der Dienststelle tätig sei.

Zu folgern sei natürlich dennoch, sagte Thomas H., dass wegen der Vorwürfe und Zeugenaussagen für die Einheit ein "extrem misslicher Eindruck entstanden" sei. Es könne jedoch "nicht davon ausgegangen werden", so der Beamte, "dass es sich um eine rechtsradikale Gruppe gehandelt" habe. "Ansonsten hätte es ganz andere Konsequenzen gegeben."


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